Einleitung: Die Vorstandsfrage – Ein zentraler Punkt für ausländische Investoren in Shanghai
Für internationale Investoren, die den dynamischen Markt in Shanghai erschließen möchten, ist die Unternehmensregistrierung der erste, entscheidende Schritt. Dabei tauchen zahlreiche Fragen auf, die sich von den vertrauten Gegebenheiten im Heimatland unterscheiden können. Eine der häufigsten und wichtigsten Fragen, die mir in meinen 14 Jahren Erfahrung in der Registrierungsabwicklung bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft begegnet, lautet: "Müssen wir als ausländisches Unternehmen in Shanghai zwingend einen Vorstand einrichten?" Die Antwort ist nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten, sondern öffnet die Tür zu einem komplexen Geflecht aus chinesischem Gesellschaftsrecht, praktischer Verwaltungspraxis und strategischen Überlegungen. Viele Investoren kommen mit der Vorstellung, dass eine GmbH zwangsläufig einen klassischen Vorstand (Board of Directors) benötigt – so wie sie es von zu Hause gewohnt sind. Doch Shanghais rechtlicher Rahmen bietet hier interessante Alternativen und Pflichten. Dieser Artikel beleuchtet detailliert die verschiedenen Aspekte dieser Frage, um Ihnen als Investor eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten und potenzielle Fallstricke frühzeitig aufzuzeigen.
Rechtliche Grundlagen: Das Gesetz gibt den Rahmen vor
Die primäre Rechtsgrundlage für ausländisch investierte Unternehmen (FIE) in China ist das „Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ sowie die spezifischen Vorschriften für ausländische Investitionen. Hier wird klar unterschieden: Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (LLC) – die häufigste Rechtsform für FIEs – muss nicht zwingend einen Vorstand (Board of Directors) einrichten. Das Gesetz sieht explizit die Möglichkeit vor, stattdessen einen alleinigen Geschäftsführer („executive director“) zu benennen. Dieser fungiert dann als gesetzlicher Vertreter und übernimmt die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse. Die Einrichtung eines Vorstands ist somit eine Option, keine Pflicht. Allerdings: Sobald man sich für einen Vorstand entscheidet, schreibt das Gesetz klare Regeln für seine Zusammensetzung, Beschlussfähigkeit und Aufgaben vor. Ein typischer Fall aus meiner Praxis: Ein deutscher Mittelständler wollte ursprünglich einen dreiköpfigen Vorstand mit zwei deutschen und einem chinesischen Mitglied. Wir mussten ihn darauf hinweisen, dass die Satzung dann sehr spezifische Regelungen zur Beschlussfassung (einfache Mehrheit? qualifizierte Mehrheit?) enthalten muss, um spätere Pattsituationen zu vermeiden.
Die Wahl hat auch Auswirkungen auf die Unternehmensverfassung, die „Articles of Association“. Diese müssen die gewählte Struktur detailliert abbilden. Ein Fehler oder eine zu vage Formulierung hier kann bei späteren Änderungen (wie der Erhöhung des eingetragenen Kapitals) zu erheblichen Verzögerungen bei der Behördenprüfung führen. Meine Einsicht nach all den Jahren: Viele Investoren unterschätzen die langfristige Bindungswirkung dieser frühen Entscheidung. Was heute praktisch erscheint, kann in fünf Jahren, wenn das Unternehmen gewachsen ist und neue Investoren hinzugekommen sind, zu einem schwerfälligen Verwaltungsmonster werden.
Die Alternative: Der alleinige Geschäftsführer
Für viele kleinere oder mittelgroße ausländische Unternehmen, insbesondere Tochtergesellschaften, ist die Ernennung eines alleinigen Geschäftsführers (Executive Director) die schlankere und effizientere Lösung. Diese Person vereint in der Regel die Positionen des gesetzlichen Vertreters (Legal Representative) und des Geschäftsführers (General Manager) in sich. Der große Vorteil liegt in der schnellen und unkomplizierten Entscheidungsfindung. Es bedarf keiner formellen Vorstandssitzungen mit Protokollen, keine Mehrheitsbeschlüsse sind nötig – der Executive Director handelt. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch administrative Kosten. Ich erinnere mich an einen Schweizer Kunden, der eine Handelsniederlassung in Shanghai gründete. Das Mutterhaus bestand zunächst auf einem Kontrollgremium. Nachdem wir die täglichen operativen Abläufe und die Notwendigkeit schneller Reaktionen auf lokale Marktgegebenheiten durchgesprochen hatten, entschieden sie sich für den Executive Director. Die Rückmeldung später war: "Diese Flexibilität war für unser Geschäft unbezahlbar."
Allerdings birgt diese Struktur auch Risiken. Die Macht ist in einer Person konzentriert. Fehlt eine ausreichende interne Kontrolle durch das Mutterhaus (etwa über Finanzberichts- und Genehmigungslimits), kann dies zu Missbrauch führen. In der Praxis rate ich daher immer zu einer klaren, schriftlichen „Power of Attorney“ und internen Richtlinien, die die Befugnisse des Executive Directors definieren und begrenzen, auch wenn diese Dokumente nicht bei den chinesischen Behörden eingereicht werden. Es ist ein Balanceakt zwischen Effizienz und Kontrolle.
Gründe für einen klassischen Vorstand
Warum sollte man sich dann überhaupt für einen Vorstand entscheiden? Die Gründe sind meist strategischer oder investor-getriebener Natur. Ein Vorstand ist dann sinnvoll, wenn mehrere Investoren mit unterschiedlichen Anteilen beteiligt sind. Er dient als offizielles Gremium, in dem die verschiedenen Interessen vertreten sind und wichtige strategische Entscheidungen (wie größere Investitionen, Kreditaufnahmen, Gewinnverwendung) gemeinsam getroffen werden. Dies schafft Transparenz und Vertrauen zwischen den Parteien. Ein Beispiel: Bei einem Joint Venture zwischen einem deutschen Technologieunternehmen und einem chinesischen Partner war die Einrichtung eines fünfköpfigen Vorstands (drei Deutsche, zwei Chinesen) ein zentrales Element des Joint-Venture-Vertrags. So wurde sichergestellt, dass beide Seiten ein klares Mitspracherecht auf höchster Ebene hatten.
Zudem kann ein Vorstand mit unabhängigen oder erfahrenen Mitgliedern wertvolles lokales Know-how und Netzwerke einbringen. Für börsennotierte Muttergesellschaften entspricht die Einrichtung eines Vorstands auch oft den internen Compliance-Vorgaben zur Unternehmensführung (Corporate Governance). Es geht hier also weniger um eine gesetzliche Pflicht, sondern mehr um gute Governance, Investorenschutz und die Abbildung komplexer Shareholder-Strukturen.
Zusammensetzung und praktische Besonderheiten
Hat man sich für einen Vorstand entschieden, geht es an die Details der Zusammensetzung. Die Anzahl der Mitglieder muss ungerade sein (typischerweise 3, 5 oder mehr), um Pattsituationen bei Abstimmungen zu vermeiden. Ein Vorsitzender (Chairman) wird bestimmt, der oft auch der gesetzliche Vertreter des Unternehmens ist – hier ist besondere Sorgfalt bei der Auswahl geboten, da diese Person immense rechtliche Verantwortung trägt. Eine praktische Herausforderung, die oft übersehen wird, ist die physische Anwesenheit oder notarielle Beglaubigung bei der Unterzeichnung von Vorstandsentscheidungen. Für ausländische Vorstandsmitglieder, die nicht ständig in China sind, kann jede erforderliche Unterschrift unter eine Resolution zum logistischen Albtraum werden. Die Lösung sind oft vorab genehmigte Generalvollmachten oder die Nutzung digitaler Plattformen für notarielle Beglaubigungen im Ausland, ein Prozess, der sich in den letzten Jahren glücklicherweise etwas vereinfacht hat.
Ein Fachbegriff, der in diesem Kontext wichtig ist, ist der „Legal Representative“. Diese Person haftet persönlich für bestimmte gesetzliche Pflichten des Unternehmens. In einer Vorstandsstruktur ist es üblich, dass der Chairman of the Board auch der Legal Representative ist. Die Abberufung dieser Person ist ein komplexer Verwaltungsakt, der die Zustimmung des Vorstands und eine Änderung der Business License erfordert. In meiner Beratungspraxis lege ich großen Wert darauf, Kunden diese praktischen Konsequenzen einer Personalie im Vorstand klar zu machen – es ist nicht nur ein Titel auf dem Papier.
Auswirkungen auf Verwaltung und Compliance
Die gewählte Struktur hat direkte und langfristige Auswirkungen auf den administrativen Aufwand. Ein Unternehmen mit Vorstand muss regelmäßige Vorstandssitzungen abhalten, formelle Sitzungsprotokolle (Minutes) anfertigen und diese gut archivieren. Diese Dokumente werden bei vielen behördlichen Verfahren später benötigt, beispielsweise bei der Beantragung von Steuervergünstigungen, bei Kapitaländerungen oder bei der Auflösung der Gesellschaft. Die Protokolle müssen bestimmten formalen Anforderungen genügen und sind oft auf Chinesisch vorzulegen. Ein Mangel an ordnungsgemäßen Vorstandsprotokollen ist einer der häufigsten Compliance-Mängel, den wir bei Due-Diligence-Prüfungen oder behördlichen Audits feststellen.
Im Gegensatz dazu ist die Dokumentation für einen alleinigen Geschäftsführer einfacher. Entscheidungen werden per Anweisung („Director‘s Resolution“) getroffen, was den Papierkrieg erheblich reduziert. Für ausländische Investoren, die kein großes lokales Verwaltungsteam unterhalten möchten, ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor. Meine persönliche Einsicht: Viele kleine und mittlere Unternehmen wählen zunächst den einfachen Weg mit dem Executive Director. Wenn das Unternehmen dann wächst und vielleicht weitere Investoren anzieht, vollziehen sie den Wechsel zur Vorstandsstruktur. Dieser Wechsel ist zwar möglich, aber mit einem formellen Änderungsverfahren bei der Behörde (MARKET) verbunden – ein weiterer Grund, die erste Entscheidung wohlüberlegt zu treffen.
Zusammenfassung und strategische Empfehlung
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ausländer müssen bei der Unternehmensregistrierung in Shanghai nicht zwingend einen Vorstand einrichten. Die Alternative eines alleinigen Geschäftsführers (Executive Director) ist gesetzlich anerkannt und für viele Unternehmen die pragmatischere Wahl. Die Entscheidung sollte jedoch nie nur aus einer Laune heraus getroffen werden. Sie muss eine strategische Abwägung sein, die Faktoren wie die Shareholder-Struktur, den gewünschten Grad an Kontrolle durch das Mutterhaus, die geplante Unternehmensgröße und die langfristigen Compliance-Anforderungen berücksichtigt.
Meine Empfehlung nach 14 Jahren in diesem Feld lautet: Start-ups und hundertprozentige Tochtergesellschaften mit überschaubaren Operationen sollten die schlanke Executive-Director-Lösung wählen. Joint Ventures oder Unternehmen mit mehreren bedeutenden Investoren sollten von Anfang an einen Vorstand einrichten, um klare Spielregeln für die Entscheidungsfindung festzulegen. Denken Sie immer einen Schritt voraus: Plant das Unternehmen in absehbarer Zeit eine Kapitalerhöhung mit neuen Investoren? Dann könnte eine anfangs einfache Struktur später aufwändig umgebaut werden müssen. Die Beratung durch einen erfahrenen lokalen Partner wie Jiaxi, der sowohl die rechtlichen Vorgaben als auch die praktischen „Stolpersteine“ kennt, ist in dieser Phase unerlässlich, um eine fundierte und zukunftsorientierte Entscheidung zu treffen.
Einsichten der Jiaxi Steuer- und Finanzberatung
Bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft begleiten wir seit über einem Jahrzehnt internationale Investoren bei ihrem Markteintritt in Shanghai. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Frage nach Vorstand oder alleinigem Geschäftsführer selten isoliert betrachtet werden kann. Sie ist vielmehr ein zentrales Puzzleteil in der gesamten Unternehmensverfassung und hat Ausstrahlung auf Bereiche wie die Vertretungsbefugnis, die Finanzkontrollen und sogar auf die spätere Besteuerung. Wir raten unseren Klienten stets zu einem ganzheitlichen Blick: Wie soll das operative Tagesgeschäft geführt werden? Wer unterschreibt die Bankvollmachten? Wie werden Budgets genehmigt? Ein formaler Vorstand kann hier Struktur und Sicherheit bieten, kostet aber Agilität. In der dynamischen Shanghaier Marktumgebung ist Geschwindigkeit oft ein Wettbewerbsvorteil. Daher entwickeln wir mit unseren Kunden individuelle Modelle, die oft Hybridlösungen beinhalten – etwa einen Executive Director, der durch klar definierte Reporting-Pflichten und finanzielle Limits an das Mutterhaus gebunden ist, kombiniert mit einem beratenden Beirat für strategische Fragen. Unser Ziel ist es, eine rechtssichere, aber lebendige und für das Geschäft optimierte Governance-Struktur zu schaffen, die nicht nur bei der Registierung funktioniert, sondern auch beim Wachstum trägt. Die richtige Entscheidung heute spart morgen Zeit, Geld und Nerven.